Sonntag, 27. März 2016

Ich habe es getan und bin nicht high

Ich mag, wenn das Gesagte mit dem Getanen übereinstimmt. Es muss keineswegs meinen Einstellungen entsprechen. Mir gefällt einfach zu wissen, wo ich dran bin. Ich ärgere mich dagegen schwarz, wenn jemand öffentlich Wasser predigt und heimlich Wein trinkt. Aus diesem Grund kann ich Volker Beck nichts vorwerfen. Er hat sich immer für eine liberale Drogenpolitik eingesetzt und konsequenterweise Drogen auch selbst konsumiert.

Jetzt habe ich aber ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ein Problem mit mir selbst. Ich plädiere seit langem für die Legalisierung von Cannabis. Selbst probierte ich diesen Stoff aber noch nie. Ich habe nie gekifft! Das muss ich nachholen!


                                                                                                       Alle Fotos: Autorin

Worüber reden wir denn?


Im Grunde genommen wissen wir nicht, worüber wir überhaupt reden. Cannabis ist eine Pflanze mit vielen bekannten und fast genauso vielen noch nicht erforschten Wirkungen, darunter durchaus erwünschten heilenden. Wir wissen also immer noch zu wenig über Cannabis, des einen Freund, des anderen Feind. Trotz dieser evidenten Lücken diskutieren wir verbissen darüber. Die Argumente dafür finden genauso viele Befürworter, wie jene dagegen. Es gibt nicht wenige, die den Cannabis verteufeln, und auch viele die ihn anhimmeln.

Wenn man nie zuvor gekifft hat, bekommt man nach der Lektüre der unzähligen Beiträge über die von der grünen Pflanze ausgehenden Gefahren einige Bedenken und vielleicht sogar Furcht.  Genauso erging es mir auch. Dennoch habe ich mich entschlossen, mein Projekt durchzuführen.




Legal, illegal, scheißegal?


Da ich keine Dealer kenne, wird für mich schon der Kauf zum Problem.  Daher will ich meinen ersten Joint auf fast ganz legalem Wege erwerben, bei unseren Nachbarn während eines Ausflugs nach Amsterdam – ein Cannabis-Paradies - mit seinen vielen Coffeeshops - der Deckname für die Verkaufsstellen von Cannabis. Sie sind nach wie vor legal, dennoch ist die ganze Angelegenheit überhaupt nicht einfach und klar.

Unsere niederländischen Nachbarn, die den Cannabis praktisch legalisierten, haben sich theoretisch nie eindeutig dafür ausgesprochen. Sie betreiben lediglich eine Duldungspolitik. In diesem Rahmen „ist der Verkauf von weichen Drogen nach wie vor strafbar, aber die niederländische Staatsanwaltschaft geht nicht gerichtlich gegen Coffeeshops vor, solange sie sich an bestimmte Vorschriften halten.“ Unter anderem darf man keine Drogen an die Minderjährige (100 % richtig!) und nicht mehr als 5 g pro Person verkaufen. Ein Coffeeshop muss sich von den Schulen fernhalten, der Abstand soll mindestens 250 m zählen.

In der gleichen Zeit, in der sich immer mehr Bundesstaaten der USA für die Legalisierung entscheiden, scheint sich Holland – der erste Staat in der Welt, der den Cannabis entkriminalisiert hat - in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen.  In einigen Provinzen wurde sogar ein Verkaufsverbot an Ausländer eingeführt.

In Amsterdam ist von dieser Stimmung nichts zu merken. Coffeeshops springen zwar nicht sofort ins Auge, aber man muss sich auch nicht bemühen, um auf einen zu stoßen. Und niemand vertreibt von dort die Ausländer.




„Schauen Sie mich an“


Ich fege die Zweifel beiseite und schreite mutig in einen Coffeeshop. Der Verkäufer lacht laut auf, als ich ihn nach den Gefahren frage: „Schauen Sie sich mich an, ich rauche Joints seit 20 Jahren und mir geht es sehr gut.“ Eine Einschränkung macht er dennoch: man solle nicht übertreiben, sondern Maß halten. Eine Kundin mischt sich ins Gespräch ein und hebt die positiven Wirkungen hervor: man wird dank Cannabis entspannter und man schläft danach viel besser.

Trotzdem bleibe ich vorsichtig – ich will es erst in eigenen vier Wänden ausprobieren. Ich packe also meinen Joint in die Tasche und wundere mich schon auf der Straße über einen seltsamen Geruch. Es vergeht etwas Zeit, bis ich merke, wo sich die Quelle dieses intensiven Duftes befinden kann. Ich öffne meine Tasche: Boah! Was da in meine Nase schlägt, hätte jeden Polizeihund ohnmächtig gemacht. Ich wickele sofort sorgfältig meinen Stoff und hoffe, dass mir unterwegs zurück nach Deutschland kein Hüter des Gesetzes begegnet.




Mein erster Joint!


Zurück daheim, zünde ich meinen ersten Joint an, purer Stoff ohne Tabak, und warte auf die Effekte: Ein allgemeines Kribbeln, ein komisches Gefühl im Hals und eine ungewöhnliche Lockerheit – mehr spüre ich nicht. Der Teufel erweist sich in meinem Fall als ein zahmes Lamm.  Ein wenig enttäuscht bin ich schon. Die vielen Warnungen versprachen doch stärkere Erlebnisse.




Nicht verharmlosen


Ich bin weit davon entfernt, die Drogen zu verharmlosen. Darüber hinaus spreche ich mich für ein absolutes Verbot  von jeglichen Drogen für die Kinder und Jugendlichen. Die Erwachsenen sind aber eine andere Kategorie! Man darf sie nicht bevormunden und bestimmen, ob sie sich mit dem Alkohol oder dem Cannabis zudröhnen sollen. Es lässt sich nämlich nicht begründen, wieso das eine erlaubt ist, das andere jedoch nicht.

Laut Europäischer Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht haben in Deutschland mindestens  23,1 % Menschen zwischen 15 und 64 Jahre einmal im Leben gekifft. Überraschenderweise gibt es in den Niederlanden kaum mehr derartige Kiffer - 25,7 %. Das spricht auch für die Legalisierung.  Der erleichterte Zugang steigert den allgemeinen Konsum nicht.

Ich warte jetzt auf ein entsprechendes Gesetz, das uns von einem sinnlosen Verbot befreit. Denn süchtig kann man beinahe von allem sein. Auch von der Schokolade. Das Problem ist nicht die Schokolade oder der Cannabis. Vielmehr sind dies ungelöste psychische Probleme. Das ist jedoch eine ganz andere Baustelle.
 
In diesem Sinne: Bleibt locker und legalisiert endlich Cannabis!

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