Sonntag, 17. April 2016

Angela Merkel macht Jan Böhmermann weltweit bekannt

Das ganze Land spricht über Böhmermann. Und die ganze Welt dazu. Was man allerdings weniger ihm selbst zuschreiben darf. Er hat eine mächtige Helferin: Angela Merkel.



                                                        Scrennshot

Spagat zwischen Kunst und Politik


Ohne Merkels Hilfe gäbe es die ganze Affäre nicht. Die sonst so zurückhaltende und die Krisen aussitzende Kanzlerin preschte mit ihrer Kritik vor. Dies tat sie zu einem Zeitpunkt, als es sich noch lediglich um das wenig bekannte satirische Gedicht handelte. Sie übte sich auf einmal als eine Literaturkritikerin und interpretierte eindeutig den Inhalt. Das Werk von Böhmermann sei "bewusst verletzend", meinte Merkel und teilte ihr literarisches Urteil telefonisch dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu mit. In diesem Moment überschritt sie die Grenze zwischen einer immer subjektiven artistischen Ansicht und den konkreten politischen und rechtlichen Konsequenzen. Dieser Spagat ist eine Zerreißprobe. Sie hätte es sein lassen sollen.

Elefant aus einer Mücke


Womit wir in diesem Fall zu tun haben ist die altbewährte plumpe Zensur. Die Herrscher nutzen sie als eine Waffe und mischen sich in die Kunst und Medien ein. Sie verbieten oder veranlassen das Entfernen, auch Zerstören, von Werken jeglicher Art, ob künstlerischen oder informativen, die ihnen nicht in den Kram passen. Und manchmal sperren sie auch die Verantwortlichen - die Künstler oder Autoren im Gefängnis ein. Das Hauptmerkmal der Zensur ist ihre Willkür, das Fehlen von logischen Grundlagen. Wie in Causa Böhmermann. Die Bundeskanzlerin fühlte sich in ihren Absichten gestört und machte mit ihrer überflüssigen Kritik – sie und nicht Erdogan – aus einer Mücke einen Elefanten.

Ich finde es schrecklich komisch, dass die ganze Affäre in dem gleichen Jahr passiert, in dem die Neuausgabe von „Mein Kampf“ erscheint.

Merkels schlechtes Gedächtnis


Wir sprechen über die gleiche Person, die unterwegs auf mehr oder weniger diplomatischen Reisen die Menschenrechte stets anspricht und anfordert.  Erinnert Ihr Euch an ihren hartnäckigen Kampf gegen Putin? Alles im Dienste der Menschheit, er wäre ein Despot und sie eine unerschütterte Verfechterin der Demokratie.

Um Erdogan zufrieden zu stellen, vergisst sie ihr eigenes Engagement und unterstützt einen Tyrannen, der von der Meinungsfreiheit gar nichts hält und seine Gegner wortwörtlich vernichtet. Sie verhilft einem zynischen machtbesessenen Führer aus politischem Kalkül und wirft ihm Böhmermann zum Fraß vor.

Traurig, traurig


Es ändert an diesen Tatsachen nichts der Fakt, dass sich die Gerichte hierzulande – Gott sei Dank anders als in der Türkei – meist von der Macht der Politiker nicht beeindrucken lassen und theoretisch unabhängig sind.

Merkel, die sich in der Vergangenheit stets gegen den EU-Beitritt der Türkei aussprach, adelt jetzige türkische Machtriege, die sich von einem säkularen Staat und der Demokratie in Meilenschritten schnell entfernt. Das ist ein fatales Signal. Und der traurigste Aspekt der ganzen Affäre.   


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